Letzter Rant des Jahres

Bringt mein Schatz das aktuelle Format mit den „Trends 2007” drinnen mit (und sie hat es geschenkt bekommen, nicht gekauft). Beim Lesen der IT-Bereiche (jene Bereiche, die ich beurteilen kann) ist mir wieder einmal schlecht geworden. Hier meine Beobachtungen (Achtung, etwas länger).

 


 


Fangen wir mit dem Bereich „Software” an, der von den Verantwortlichen eigentlich „Microsoft” betitelt hätte werden sollen. Die sieben Seiten lesen sich wie eine einzige Werbeeinschaltung für Microsoft. Vom Konzern selber bis hin zum österreichischen „Microsoft Haus- und Hof Dienstleister” MII - Marcus Izmir Informationsmanagement sind die üblichen Verdächtigen vertreten. Man muss neidlos anerkennen, dass hier die österreichische Microsoft-Niederlassung bzw. ihre Lobby- und PR-Agentur ganze Arbeit geleistet hat.

So wird das „Web 2.0” zwar als Trend anerkannt (ein bissl spät, wenn man sich etwa das aktuelle Time Magazine ansieht), aber auch nur in einem Microsoft/Live! Zusammenhang. Ansonsten dreht sich bei den Format Software-Trends 2007 alles nur um Microsoft – und das, obwohl sich IMHO kommendes Jahr auch viel abseits des Softwareriesen abspielen wird.

Auf einer Seite wird Marcus Izmir zitiert: „Software ist zwar noch lange nicht dort, wo sie sein sollte, aber was Vista und Office 2007 an Mehrwert bieten, ist schon viel”.
Leider steht das Zitat von Erich Munz von Izmirs zu weit entfernt. Munz meint nämlich: „Ohne Schulung wird der Durchschnitt der User überfordert sein”.
Den „Mehrwert” von Office 2007 suche ich persönlich noch immer.

Lustig auch die Aussage der Autorin Ingrid Krawarik zum Office 2007: „Die Kommandozeile wurde abgespeckt und gleichzeitig erweitert”.
Also was jetzt? „Abgespeckt” oder „erweitert”? Beides geht IMHO nicht. Und überhaupt: welche „Kommandozeile” in Office???
Die einzige „Kommandozeile” die sich im Vista/Office 2007 Umfeld „geändert” hat, ist die Windows PowerShell, früher „Microsoft Shell” oder MSH (Codenamed Monad) genannt. Diese ist NEU hinzugekommen. Überhaupt kann man sagen, dass Microsoft in den letzten fünf bis sechs Jahren verstärkt auf die Profi-Anwender gehört hat und die Kommandozeilentools ausgebaut (z.B. Shell für Exchange) hat und nicht „abgespeckt”.

Und es geht noch weiter: „Oft verzweifelt gesuchte Programmfunktionen […] wurden an die Programmoberfläche, das so genannte User-Interface geholt.” Und wie konnte man in den älteren Programmversionen auf diese Progammfunktionen (Serienbriefe, …) zugreifen? Über die nicht vorhandene Kommandozeile? Bitte vor dem nächsten Artikel über Office ein bissl in der Wikipedia stöbern.
  1. Benutzerschnittstelle, nicht User-Interface
  2. Auch die Kommandozeile ist eine Benutzerschnittstelle
  3. Gemeint wahr wohl „wurde der Zugriff auf bisher eher umständlich erreichbare Programmfunktionalitäten vereinfacht” oder so ähnlich, odrrrrr?

Weiter führt sie an: „Herzstück des neuen Office bleibt auch weiterhin das Outlook-Mailprogramm.”. Werte Kollegin, nur etwa 31% aller Unternehmen haben Microsoft Exchange installiert (was mehr oder weniger Outlook impliziert). Es gibt daher mehr als genug Unternehmen, die sich eine sicherere, stabilere und performantere Messaging-Umgebung installiert haben und trotzdem (noch) MS Office verwenden. Aber halt nicht mit Outlook. Outlool daher als „Herzstück” des neuen Office zu bezeichnen, halte ich für etwas vermessen.

Wer die Möglichkeiten von „Prioritätenflaggen” oder „Farbleitsystemen” einsetzt, kann sein Arbeitspensum besser organisieren.

Und wer sich nicht so organisiert, wie sich MS das so vorstellt, ist ein unorganisierter Vollkoffer? Oder wie darf man diesen Satz verstehen? Und soweit ich die letzte Outlook 2007 Präsentation noch im Kopf habe, werden die Mails mit Farben und lustigen Fahnderln „organisiert”, nicht das Arbeitspensum.

Weiters ist die Sprachsteuerung der Inbox und des Kalenders bitte NICHT mit Unified Messaging gleich zu setzten. Bitte auch das Thema „Unified Messaging” bei Wikipedia oder im Nachschlagewerk der persönlichen Wahl nachschlagen.

Ganz super fand ich dann den Absatz zum Thema Sicherheit:

Sicherheit als oberste Priorität. In Sachen Sicherheit geben Experten [Anm.: Welche???] Vista gute Noten. […] „Wir haben die Latte diesmal sehr hoch gelegt”, bestätigt Schweiger [Anm: GF Microsoft Östereich].

Das möchte ich nur mit ein paar Links kommentieren:
Vista: Aktivierung mit illegalem Key-Server umgehbar
Microsoft bestätigt Leck in Windows Vista
Schwachstelle in Windows: Auch Vista betroffen
Wissenschaftler warnt vor Windows Vista - DRM außer Kontrolle

Zusammengefasst möchte ich sagen, dass ich mit dem Format-Titel „Vorschau auf die wichtigste Software-Innovation für PC-Arbeiter: Vista/Office.” nicht überein stimme. Vista und Office 2007 werden uns zwar 2007 sicherlich beschäftigen, die wirklich interessanten und revolutionierenden Innovationen werden aber aus einer anderen Richtung kommen – und damit meine ich auch nicht den als „Web 2.0” getarnten Werbekasten für Microsoft Live! im Rahmen des Artikels.
Schade, dass aus einem prinzipiell interessanten Thema nur ein Werbeartikel für Microsoft geworden ist.

Aber es gab noch mehr „Trends” in deser Format-Ausgabe. So schreibt Kollegin Barbara Mayerl etwa über die „Trends mobiltelefonie”.

Kann mir bitte jemande den Begriff „stylische Optik” erklären???

Multimedia-Anwendungen sind mit HSDPA und 3,6 Mbit/s schon jetzt möglich”. Könnten wir auch dazu schreiben, mit welchen Providern und wo? Wenn T-Mobile von „flächendeckender HSDPA-Versorgung” spricht, heißt das nur, dass 70% der Bevölkerung HSDPA von T-Mobile nutzen könnten. Unter „flächendeckend” verstehe ich etwas Anderes (u.a., dass HSDPA auch im Hause von SWMBO im Waldviertel funktioniert). Alles Andere ist Augenauswischerei, um es freundlich zu formulieren.

Und dann dieser krampfhafte Versuch, das Buzzword des Jahres, „Web 2.0”, mit dem Thema „Mobilfunk” zu verbinden:

Karim Taga, Telekomanalyst Arthur D. Little: „Web 2.0 kommt auf das Handy und Multimedia wird dabei ein entscheidende Rolle Spielen”. […] Berthold Thoma, GF von 3, hält das für das einzig sinnvolle Geschäftsmodell: „Was im Internet gratis ist, soll auch am Handy kostenlos nutzbar sein.” Dazu sollen die Mobilfunker an den Umsatzen der Partnerfirmen im Portal beteiligt werden - ganz Web 2.0 eben.

LOL. Klar. Das schau ich mir an, dass digg, flickr und wie sie alle heißen, die Pimperl-Mobilfunkbetreiber aus Östereich an ihren Umsätzen beteiligen. Ich stimme mit Hr. Thoma überein, dass ein Pauschalangebot das einzige sinvolle Abrechungsmodell für den mobilen Internetzugang ist, ich wage aber zu bezweifeln, dass sich mündige Kunden von Ihren Providern auf einige Angebote, mit denen etwa Partnerschaftsabkommen geschlossen wurden, einschränken lassen. Ich lass mir ja auch von meinem Provider nicht vorschreiben, welche Suchmaschine oder welches Blogging-Tool ich verwende.

Und übrigens, das Web 2.0 – wie immer man es auch definieren will – besteht nicht nur aus YouTube (was übrigens eine der für mich „sinnvollen” Anwendungen von Video auf dem Handy wäre) und hat auch nichts damit zu tun, dass ein Anbieter einen anderen an irgendwelchen Umsätzen beteiligt.

Den Trend „Musik am Handy” glaube ich – besser ein Kastl in der Tasche, das Handy und MP3-Player ist, als zwei. „Bewegte Bilder am Handy” glaub ich nur, wenn es um kurze, kleine Snippets wie etwa die Clips von YouTube geht. Filme oder Sport auf diesen Mini-Displays? Das glaube ich nicht, Tim. Und die Hoffnung der Mobilfunkbetreiber, dass der „Community Content” ihnen die Brücke zum Web 2.0 schlägt, glaube ich persönlich nicht – man denke nur beispielsweise an die Ein Prozent Regel.

Den Trend „IP-Telefonie” kann ich nicht nachvollziehen. Das Thema ist IMHO schon gelaufen. Das sieht man auch daran, dass Microsoft nun auch eine Lösung anbietet/bieten wird (wie im Artikel angeführt). Das ist üblicherweise ein Zeichen, dass es sich um einen profitablen Markt handelt, der bereits von innovativeren und schnelleren Unternehmen aufbereitet wurde und keine Neuerungen mehr bietet.

Der Trend „Hardware” bot auch keine Überraschungen. Vista braucht mehr CPU, Speicher und Festplatten – die entsprechenden Hersteller freuen sich. Lustig finde ich, dass keiner meiner KollegInnen darauf eingeht, dass Microsoft auf der einen Seite sagt „mit Vista/Office 2007 spart man sich viel Geld, weil produktiver, …” und auf der anderen Seite Studien veröffentlicht, wie viel HW-Händler und Berater durch Vista verdienen. Irgendwie ist in der Argumentation für mich der Wurm drinnen.

Wenn der Kollege Serloth schreibt, dass 32-Bit Systeme, wie sie heutzutage noch zu Hauf in den Büros und Daheim stehen, bereits zu einer „aussterbende Spezies” gehören, frage ich mich doch, ob er nicht ein Opfer der MS Exchange-Propaganda geworden ist. Nur weil EINE Server-Anwendung 32-Bit Hard- und Software benötigt, um seine architekturellen Probleme zu kaschieren, bedeutet das noch lange nicht das Ende der 32-Bit Systeme.
Ich lehne mich jetzt einmal aus dem Fenster und behaupte, dass es noch drei bis fünf Jahre dauern wird, bis sich die 64-Bit Systeme mit all ihren Treiber, Anwendungen, etc. auch auf den Desktops durchgesetzt haben – auf der Serverseite mag es etwas schneller gehen (Datenbank-Server, …). Und bis die 32-Bit-Systeme am 19. Januar 2038 um 3:14:08 h UTC wirklich auf ein Problem stoßen, werden sie uns sicherlich erhalten bleiben. Aber andererseit – die Cobol-Programme mit den zweistelligen Jahreszahlen aus den 60ern sind auch auch nicht bis ins neue Jahrtausend gelaufen, odrrrr? ;)

Und um die im Artikel gestellte Frage: „Wie viele Prozessoren braucht ein PC?” zu beantworten: Eine, die Frage ist nur, wie viele Kerne wird dieser Prozessor haben? Multicore-CPUs sind, nachdem die Erhöhung der Taktfrequenz zur Leistungssteigerung an ihre Grenzen stieß, die derzeitige Methode du jure, um mehr Leistung zu erlangen, da eine Mehrkern-CPU nur unwesentlich mehr Abwärme als eine Single-Core CPU erzeugt und sich die Anwendungen langsam auf die neuen Möglichkeiten der Mehrkern-CPUs einstellen.

Zusammenfassend: Schade Format, da wäre mehr drinnen gewesen.

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[Samstag, 20061230, 14:04 | permanent link | 0 Kommentar(e)

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