DSK: Privatsphäre weniger Wert als eine U-Bahn Sitzgarnitur

Im Rahmen der grauslichen Übergriffe in der U6 hat derStandard.at berichtet:

Die Wiener Öffi-Betreiber wollen nun bis Jahresende die Videoüberwachung in den Stationen, aber auch in den U-Bahnen und Bims weiter ausbauen und nehmen dafür 1,2 Millionen Euro in die Hand. Derzeit werden bereits zwei Drittel der U-Bahn-Stationen mit Kameras überwacht, ebenso drei Viertel aller U-Bahn-Züge. Seit dem vergangenen Sommer werden auch Bims nachgerüstet.

Lassen wir mal beiseite, dass die Videoüberwachung sinnlos ist, in der von den Wiener Linien praktizierten Art keinen Sicherheitsgewinn bringt und nur Geld kostet. Wieso können die Wiener Linien einfach so die Videoüberwachung ausbauen? Dafür braucht man doch eigentlich eine Genehmigung der Datenschutzkommission.

Jup, und die hat sie auch. Bis Ende 2011 wurde diese Genehmigung den Wiener Linien auch immer nur jährlich zugestanden, weil sie den Sinn der Überwachung nicht nachweisen konnten.

Im Datenschutzbericht 2011 (der erst 2012 veröffentlicht wurde), kam es dann auch endlich so, wie wir es schon alle erwartet haben. Die Wiener Linien GmbH & CO KG darf Videoüberwachung in den Fahrzeugen zum Zwecke der Eindämmung von Vandalismusschäden, der Erhöhung des Schutzes von MitarbeiterInnen und Fahrgästen sowie zur Optimierung betrieblicher Abläufe (unbefristete Registrierung) betreiben.

Während aber 2008 die „Verhältnismäßigkeit der Videoüberwachung” noch intensiv überprüft wurde, insbesondere was die „Erhöhung des Schutzes von MitarbeiterInnen und Fahrgästen” betraf (siehe link oben), waren die Kriterien der Datenschutzkommission 2011 eher in die Kategorie „WTF” einzuteilen:
Bis dato durfte die oben genannte Videoüberwachung lediglich im zeitlich befristeten Probebetrieb durchgeführt werden. Aufgrund des mittlerweile vorgelegten statistischen Zahlenmaterials ist die Datenschutzkommission zur Auffassung gelangt, dass die eingesetzte Videoüberwachung einen positiven Einfluss auf die Schadensverhütung im Bereich der U-Bahn-Garnituren besitzt. Angesichts der auch in ähnlich gelagerten Fällen erwiesenen Eignung von Videoüberwachung zur Minderung von Schadensfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel wurde eine zeitlich unbegrenzte Registrierung der Videoüberwachung in den Fahrzeugen der Wiener Linien GmbH & Co KG für sachlich gerechtfertigt angesehen.

Die Privatsphäre sowie die Verhältnismäßigkeit der Überwachungsmaßnahme steht hier nicht mehr zur Debatte. Wir werden in den Wiener Öffis also dank der Datenschutzkommission nur überwacht, damit die Wiener Linien nicht so viel Geld für die Behebung von Vandalismusschäden ausgeben müssen. Die Privatsphäre der Bürger ist also weniger Wert als eine U-Bahn Sitzgarnitur.

Das deckt sich allerdings mit der Rektion der Wiener Linien auf die U6-Übergriffe, als es lakonisch Unmittelbare Konsequenzen wird der aktuelle Fall bei den Wiener Linien nicht haben. Denn eine Sprecherin betont: „Wir tun bereits, was wir können.”, Verhindern kann man derartige Vorfälle damit zwar nicht, aber: Einerseits argumentiert man mit der Abschreckung potenzieller Täter. Andererseits kann man damit zumindest im Nachhinein die Täter leichter identifizieren. und Die Überwachung erfolgt nicht „live“, das heißt, dass die Mitarbeiter das Geschehen nicht in Echtzeit beobachten. Das sei bei 4000 Kameras nicht möglich, sagt die Sprecherin der Wiener Linien, Anna Maria Reich. hieß.

Bei solchen Entscheidungen der DSK wundert es nicht, dass sie laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) NICHT über den Verdacht der Parteilichkeit erhaben ist.

P.S.: Man beachte auch, wie intensiv und nachhaltig sich österreichs Qualitätsmedien und deren IT-„JournalistInnen” des Datenschutzberichtes und der DSK-Problematik angenommen haben. Aber das liegt vermutlich daran, dass man weder eine Klickstrecke, noch eine Datenvisualisierung draus machen konnte.
Von den Piraten, Grüninnen und all den anderen, die sich nominell der Themen Privacy, Datenschutz, … angenommen haben, wollten wir hier gar nicht erst reden.

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[Montag, 20130107, 12:00 | permanent link | 0 Kommentar(e)

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