20 Jahre WWW -- quod erat expectandum

Wer mich kennt weiß, dass ich zum i-Tüpferl Reiter werde, wenn es um den Unterschied zwischen „Internet” und „World Wide Web” (WWW) geht. Bei „Surfen im Internet”, „Internetseiten” oder „Sie finden uns im Internet unter www…” werde ich grantig.

Für all jene, die nicht wissen, wovon ich spreche, hier eine praktische, nicht-technische Kurzerklärung aus der Wikipedia:

Das WWW wird im allgemeinen Sprachgebrauch oft mit dem Internet gleichgesetzt, obwohl es jünger ist und nur eine mögliche Nutzung des Internets darstellt. Es gibt durchaus Internet-Dienste, die nicht in das WWW integriert sind (am bekanntesten ist E-Mail, aber z. B. auch IRC und Telnet). Zu dieser Verwirrung haben nicht zuletzt die Webbrowser beigetragen, die nicht nur das eigentliche HTTP-Protokoll (siehe unten) benutzen können, sondern dem Nutzer auch noch andere Dienste wie Mail und FTP zugänglich machen.

Unter diesem Aspekt habe ich den „20. Geburtstag des WWW” mit einer Mischung aus Freude und Grausen erwartet, da sich viele Kolleginnen und Kollegen der schreibenden Zunft sowie der bewegten Bilder nicht um diesen Unterschied scheren.

Um so großer war meine Freude, als ich in der ZIB 1 (ja, in der EINSER ZIB, WOW!) einen korrekten Beitrag zum Geburtstag des WWW gesehen habe, in dem nicht einmal der Begriff „Internetseiten” vor kam und in dessen Verlauf auch kein einziges Mal „Internet” und „WWW” in Ihrer Bedeutung vertauscht wurden. Man hat aber gemerkt, dass sich Tarek Leitner manchmal sehr konzentrieren musste, um nicht „Internetseiten” zu sagen. Aber es hat gepasst.

Leider war die Erfolgsquote im Print-Bereich nicht so hoch. Rühmliche Ausnahme war hier wieder einmal Helmut Spudich, der in seinem Print-Artikel über diese ständige Begriffsvertauschung sogar witzelte: Und so war das Internet geboren - halt, falsch: das World Wide Web, der Teil, der das „Netz der Netze” (Internet) erst massentauglich machte …. Leider haben seine Kollegen vom Online-Standard und von der APA diesen Artikel nicht gelesen, weil sie gleich darauf titelten: „Internet-Surfer muss 46.000 Euro zahlen”:
Internet-Surfer muss 46.000 Euro zahlen

ORF ON Science hat sich auf die sichere Seite begeben und einen DPA-Artikel übernommen, der zwar korrekt, aber ohne Höhepunkte war. Auch der Futurezone-Artikel zu diesem Thema vom Jänner 2009 riecht nach Agentur-Material, war aber realtiv korrekt aber ebenfalls langweilig. Lediglich der Lapsus, dass Remote Procedure Calls (RPC) als „Werkzeug” bezeichnet wurden, ist mir da aufgefallen. Das wurde aber mittlerweile korrigiert.

Wesentlich schmerzhafter war da schon die Lektüre der Kleinen Zeitung. Hier texteten Ulrich Dunst, Georg Holzer und Manfred Neuper bereits im Lead des Artikels der Printausgabe: „Das Internet ist 20 Jahre jung”. Einer der beteiligten Autoren hat bereits einmal den „New Media Journalism Award” des ÖJC erhalten, sollte also den Unterschied zwischen WWW und Internet eigentlich kennen.
Online wurde der Lapsus korrigiert. Allerdings nur im Artikel, nicht aber auf der Homepage:
Ausschnitt aus der Homepage der Kleinen Zeitung

Man kann der Kleinen Zeitung einiges vorwerfen, nicht aber, dass sie inkonsequent wären. Auch im Video zum WWW-Geburtstag zieht sich die Begriffsvertauschung in den Texteinbeldungen konsequent durch:
Screenshot des Videos mit falscher Bildunterschirft

Auch die „Nachrichtenagentur” pressetext.austria bekleckert sich in Ihrer WWW-Geburtstagsmeldung nicht gerade mit Ruhm. So lautet der Untertitel der Meldung bereits „Verbraucher sind süchtig danach, Daten im Internet zu recherchieren” und die Meldung eröffnet mit diesem, nicht passenden Zitat von Gene Phifer, Managing Vice President beim international tätigen Marktforschungsinstitut Gartner: Das Internet hat einen tief greifenden Einfluss auf unsere Gesellschaften, Kulturen und wirtschaftlichen Modelle ausgeübt..
Wirklich weh tut mir allerdings dieser Absatz, in dem sich meiner bescheidenen Meinung nach deutlich zeigt, dass dem Hr. Steiner der Inhalt entweder total egal war, oder er einfach keine Ahnung von der Materie hat:

Obwohl der Vorschlag damals zunächst kaum Beachtung fand, gilt dieser Text als Grundstein für die weitere Entwicklung des World Wide Web. Heute wird der Text als Geburtsurkunde des Internets betrachtet und in einer eigenen Glasvitrine im CERN ausgestellt.

Das Internet ist deutlich älter als das WWW. Die ersten beiden Knoten des ARPANET, dem Vorgänger des Internets, gingen am 29. Oktober 1969 online. Das wird von vielen als die Geburtsstunde des Internet angesehen. Der Artikel hätte sich aber auf die Geburtsstunde des WWW beziehen sollten, welche, und das wäre eigentlich der Auslöser dieses Artikels gewesen, durch die Veröffentlichung des Papers „Information Management: A Proposal” von Tim Berners-Lee im März 1989 markiert wurde.

Der absolute Hammer war aber der Artikel auf diepresse.com. Was mit Vor 20 Jahren hat Tim Berners-Lee einen Text über „Information Management” am CERN verfasst und damit die Geburt des World Wide Web im Internet eingeleitet. noch wunderbar begann, endete desaströs.

So schreibt (sg) etwa Schließlich wurde im April 1993 das Web erst in die weite Welt entlassen - zuvor war es nur militärischen Zwecken vorbehalten.. Das bezieht sich darauf, dass das „Internet” ursprünglich im Auftrag der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), einer Behörde des Verteidigungsministeriums der USA, entwickelt wurde. Aber „DAS INTERNET” nicht das World Wide Web.

Weiters schreibt (sg) dann: In ersten Ansätzen überlegte er übrigens auch, sein Programm Information Mesh oder Mine of Information zu taufen - dann würden Internetadressen heute mit „moi” statt mit „www” beginnen.. Also erstens ist etwa www.example.com keine „Internetadresse” – diesen Begriff gibt es nicht – sondern entweder ein Domain- oder ein Hostname. Zweitens lautet eine korrekte Adresse im WWW (ein so genannte URL oder URI) beispielsweise <http://www.example.com>. Und drittens ist das vorangestellte „www” in den Hostnamen eine reine Konvention, die in den Anfangszeiten des WWW aufgekommen ist. Prinzipiell spricht nichts dagegen, auch jetzt einen Server, der Dienste im WWW zur Verfügung stell, beispielsweise über <http://moi.example.com/> oder sogar nur über <http://example.com/> anzusprechen. Der Hostname hat nichts mit den verwendeten Protokollen zu tun. Mit „www. is deprecated” gibt es sogar eine Bewegung, welche die Meinung vertritt, dass Hostnamen mit „www” abgekündigt werden sollten.

Und auch im letzten Absatz wo er/sie über das „Global Environment for Networking Investigations” schreibt, hat er/sie die Begriffe durcheinander geworfen, weil GENI eigentlich Alternativen/Neuerungen zum bestehenden „Internet” erforscht, nicht zum „WWW”.

„Lobend” erwähnt werden muss hier natürlich auch der Kurier, der sich des Themas überhaupt nicht angenommen hat. Vermutlich konnten die Autoren keinen Google-Bashing Artikel daraus ableiten.

Ich finde es wirklich sehr schade, dass anscheinend ein Großteil der österreichischen Journalisten und Journalistinnen als auch die heimischen Nachrichtenagenturen nicht in der Lage sind, vernünftig zu recherchieren, wenn Sie schon nicht über das notwendige Wissen verfügen.

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[Mittwoch, 20090325, 22:06 | permanent link | 1 Kommentar(e)

Sehr schöner Geschichtsunterricht plus Medienkritik. Danke.

Mir geht die Halbinformiertheit von "Experten" auch auf den Keks.

Kleinigkeit ist mir aufgefallen: der link &#8222;Internet-Surfer muss 46.000 Euro zahlen&#8221; verweist auf den spudich artikel.

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