Österreichs Pseudo-e-Government
Regelmäßig wird es aus dem Bundeskanzleramt Ministerien und anderen offiziellen Stellen verkündet: „Österreich ist führend beim e-Government”.
Und es wird auch viel getan, um diese Position abzusichern. Zum einen werden Gesetze verabschiedet, um den Betrieb des A minus Trust (A-Trust) Zertifizierungsdienstes zu gewährleisten, auch wenn die Firma in Konkurs geht (hängen schließlich auch die Signaturen der Ministerien, … daran), zum anderen wird die Handy-Signatur erfunden, weil sich die Karten offensichtlich nicht durchsetzten.
Und das alles für für jene fünf Prozent der Behördenkontakte, die österreichweit bürgerkartenfähig sind, also rund ein (1) Anwendungsfall pro Bürger alle 2 1/2 Jahre. Ja, so sieht nämlich die Realität des e-Government in Österreich aus. Da wird ein riesen Tam-Tam gemacht und wir dürfen über die e-Card sogar dafür zahlen und wirklich nutzen können wir diese Bürgerkartenfunktion alle zwei bis drei Jahre.
Nicht zu vergessen sind hier auch die Kosten für Totgeburten wie den E-Voting Testlauf bei den ÖH-Wahlen 2009.
Das liegt natürlich auch daran, wie diese Bürgerkartenfunktion (weil eine „Bürgerkarte” per se gibt es nicht), in Österreich eingesetzt wird. Und zwar als simpler, maschinenlesbarer Personalausweis für Funktionen, die dem Staat nicht „weh tun”.
Dort wo die Bürgerkartenfunktion für den Bürger wirklich einen Vorteil und dem Staat einen „Nachteil” oder zumindest mehr Aufwand verursachen würde, wird sie nämlich (und ich behaupte mal ganz bewusst) nicht eingesetzt. Nämlich dort, wo es die Hemmschwelle für eine Partizipation der Bürgerinnen und Bürger senken würde.
Beispiel 1: Sammeln der Unterstützungserklärungen bei Wahlen
Hier müssen die wahlwerbenden Parteien je nach Bundesland 100 bis 500 Unterstützungserklärungen einreichen, um bei der Wahl antreten zu können. Diese müssen unter anderem mit einer Bestätigung versehen sein, dassdie eigenhändige Unterschrift der in der Unterstützungserklärung genannten Person entweder vor der Gemeindebehörde geleistet wurde oder gerichtlich oder notariell beglaubigt ist. Das schreit doch förmlich nach einer Anwendung, welche die Bürgerkartenfunktion verwendet. Die in der Erklärung genannte Person muss am Stichtag in der Wählerevidenz eingetragen und wahlberechtigt sein – das kann doch mit all den Registern (ZMR, Wählerevidenz) in AT kein Problem sein.
Aber hier dürften die Verantwortlichen wohl zurückschrecken. Man will es doch neuen Gruppierungen wie etwa der Piratenpartei nicht zu einfach machen, bei Wahlen anzutreten.
Beispiel 2: Parlamentarische Bürgerinitiative
Es musste zum Beispiel der Arbeitskreis zur Vorratsdatenspeicherung (AKVorrat.at) 500 Unterschriften auf Papiersammeln, um in weiterer Folge Unterstützungserklärungen für die „Bürger_inneninitiative gegen die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung” über die Website des Parlaments sammeln zu können. Solch eine Bürgerinitiative hat unter anderem laut Parlamentsseite dieeigenhändige Angabe von Vor- und Zuname, Anschrift, Geburtsdatum und Datum der Unterstützung samt Unterschrift der unterstützenden StaatsbürgerInnen (einschließlich ErstunterzeichnerIn mindestens 500)zu enthalten.
Auch hier könnte man diese initialen 500 Unterschriften ganz einfach und bequem über die Bürgerkartenfunktion und die Anbindung an die diversen Register online sammeln.
Aber wo kommen wir denn da hin, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger auf einmal in die Politik einmischen würden.
Tagged as: a-trust, bürgerkarte, e-government, e-voting, fail, it, politik | Author: Martin Leyrer
[Montag, 20111031, 08:00 | permanent link | 1 Kommentar(e)
Wir sollten das Stückl Plastik dann wohl in "Untertanenkarte" umbenennen.
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