A gschobene Gschicht
… so könnte man den Termin „Diskussion über eine mögliche Novelle des Urheberrechts” im Bundesministerium für Justiz nennen, der am 11. Dezember ebendort stattfindet.
Wer nämlich glaubt, dass dort Interessensausgleich und eine Anpassung des Urheberechts an das 21. Jhdt. diskutiert wird, ist schief gewickelt.
Das zeigt unter anderem, die „geleakte” Einladungsliste:
Eingeladen | Kommentar |
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Bundeskanzleramt | Den Damen und Herren verdanken wir die Vorratsdatenspeicherung (Speicherung der Telefondaten, Telefon-Lokationsdaten sowie Internet-Verbindungsdaten) sowie die aktuelle Diskussion um die Verwendung der VDS-Daten für die Ausforschung von „Raubmordkopierern”. Natürlich auch ELGA, Bürgerkarte, Weitergabe der Fluggastdaten (PNR … Passenger Name Records) an die USA, Clean-IT und Co. Jeder weitere Kommentar erübrigt sich. |
Bundeskanzleramt/Verfassungsdienst | |
Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend | |
Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz | |
Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur | |
Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung | |
Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie | |
Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften | Die Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften ist eine eigenständige Behörde, die seit dem 1. Oktober 2010 dem Bundesministerium für Justiz nachgeordnet ist.Die Frage, welchen Block diese zuzuordnen ist, erübrigt sich damit. Abgesehen davon, dass sie machen, was das BMJ anordnet, hat seit 2010 jemand mitbekommen, dass die den Verwertungsgesellschaften irgendwie Einhalt geboten hätten? |
Wirtschaftskammer Österreich | Welche Position wird wohl die WKO übernehmen? Die seiner Mitgleider oder die der Konsumenten? Die WKÖ ist übrigens doppelt vertreten, da die WKÖ Fachverbände „Kino-, Kultur- und Vergnügungsbetriebe”, „Bundesgremium des Elektro- und Einrichtungsfachhandels” sowie „Film- und Musikindustrie” auch Mitglieder der VAP sind. Aber wer achtet schon auf derartige Kleinigkeiten … |
Industriellenvereinigung | Neben Bau, Bergwerke, Stahl, Chemische Industrie, Fahrzeugindustrie (hi, Frank!), Elektronikindustrie, usw. finden sich unter den 18 Fachverbandsausschüsse der Bundessparte Industrie auch die „Film- und Musikundustrie”. Nachdem die Mitgliedschaft in der Industriellenvereinigung im Vergleich zu den Kammern freiwillig ist, sind die Film- und Musikschaffenden wie die WKÖ zweimal vertreten. Sehr sauber. |
Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte | Ganz Österreich hat sich schon dem Willen der VAP, KunstHatRecht und Justizministerin Karl unterworfen. Ganz Österreich? Nein! Ein kleines Grüppchen wiederspenstiger Querulanten kämpft gegen die Begehrlichkeiten der VAPler an. Die AK, das Bürger/Konsumenten Feigenblatt in diese Runde. |
Österreichischer Rechtsanwaltskammertag | Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) ist die Dachorganisation der neun Rechtsanwaltskammern in Österreich zur Wahrung der Rechte und Angelegenheiten der österreichischen Rechtsanwaltschaft. Die geplante Änderung des UrhG § 87b würde den Rechtsanwälten ein neues Geschäftsfeld eröffnen. Da werden sie sicher dagegen sein, mhm. |
Österreichische Notariatskammer | Die ÖNK hat insbesondere die Befugnis, bindende Richtlinien für die Berufsausübung der Notare und Notariatskandidaten zu erlassen und vertritt die Angelegenheiten des Notariats. Siehe Rechtsanwaltskammer. Notariell beglaubigte Aussagen, dass man ganz ehrlich nie nie nie nie wieder Raubmordkopieren wird, werden, wenn die Urheberrechtsreform in dieser Form durchgeht, stark im Steigen sein. |
VÖZ - Verband Österreichischer Zeitungen | Schreien nach dem Leistungsschutzrecht wie nach einem Tropen Wasser in der Wüste, haben den ORF online erfolgreich kastriert und wir verdanken ihnen manch kafkaeske Diskussion, was der ORF nun online machen darf und was nicht. Nachdem dem VÖZ anscheinend noch immer niemand das Prinzip der robots.txt erklärt hat, werden sie sich sicherlich nicht zu Gunsten der Konsumenten ausprechen. |
Google Switzerland GmbH (zu Handen Herrn Daniel Schönberger) | Hmmm. Ordne ich mal in die Kategorie „pro Konsumer” ein, biss ich mehr weiß. Ist die AK doch nicht ganz alleine. |
Verein für Anti-Piraterie der Film- und Videobranche (VAP) | Unsere Freunde, die VAPler. Verschönern uns jeden Kinobesuch und jede DVD für die wir bezahlt haben mit Anti-Pirateriewerbung. Freunde des falschen Begriffs „Raubkopie”. Vermutetes Motto: „Es gibt keine Kunden. Alles Verbrecher!”. Wo die einzuordnen sind, ist wohl klar. |
Österreichischer Verband der Internet Service Provider | Haben sich in Sachen Urheberrecht bislang eher Pro-Konsumer verhalten. Chello und Post/Datakom/Jet2Web/Mobilkom/Telekom/A1 sind aber nicht Mitglied, nicht vergessen! |
Österreichischer Rundfunk (zu Handen Herrn Dr. Rainer Fischer-See und Frau Dr. Krassnigg-Kulhavy) | Zahnloser Löwe. Whatever. Wie auch die WKÖ, ist der ORF über die VAP zweimal vertreten. |
Gewerkschaft der Gemeindebediensteten - Kunst, Medien, Sport, freie Berufe | Die Kulturgewerkschaft KMSfB (Kunst, Medien, Sport, freie Berufe) ist die berufliche Interessensvertretung der künstlerisch, journalistisch, programmgestaltend, technisch, kaufmännisch, administrativ, pädagogisch unselbstständig oder freiberuflich Tätigen und Schaffenden in den Bereichen Kunst, Medien, Erziehung, Bildung und Sport sowie der in den Berufen dieser Bereiche in Ausbildung Stehenden oder bereits in Pension befindlichen. […] Am 29. Juni 2009 haben die GdG und die KMSfB fusioniert und vertreten gemeinsam rund 155.000 Mitglieder.So wie es aussieht ebenfalls nicht Konsumer-minded: Kulturgut jeglicher Art dürfe nicht in den ungeschützten „Downloadgewohnheiten” verkommen. Denkt bei der Zahlung des nächstens Gewerkschaftsbeitrags, wer dafür war, dass ihr online überwacht werdet. |
Kunst hat Recht | Das ist jetzt überhaupt der „lustigste” Block. Weil der Medieninhaber von „KunstHatRecht” ist der PR Dienstleister „The Skills Group” mit den ebenfalls aufgeführten Verwertungsgesellschaften (bis auf VGR und VDFS, aber ich vermute, die haben sie im Impressum von KunstHatRecht einfach vergessen). Durch die „Gründung” der Plattform „KunstHatRecht” haben es die Verwertungsgesellschaften also geschafft, in dieser Besprechung einen weiteren Sitz zu erhalten. Warum das wichtig ist, darauf kommen wir gleich nochmal. |
Staatliche genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (AKM) reg. Gen.m.b.H | |
Austro-Mechana, Gesellschaft zur Verwaltung und Auswertung mechanisch-musikalischer Urheberrechte | |
Literar-Mechana, Wahrnehmungsgesellschaft für Urheberrechte m.b.H | |
LSG Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten Gesellschaft mbH | |
VAM – Verwertungsgesellschaft für Audiovisuelle Medien | |
VGR – Verwertungsgesellschaft Rundfunk | |
VDFS Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden Gen.m.b.H | |
Veranstalterverband | Der Veranstalterverband Österreich verhandelt mit Verwertungsgesellschaften über die Höhe der Tarife, die für die Nutzung von Urheberrechten zu bezahlen sind, und schließt entsprechende Gesamtverträge ab. Dadurch erhalten die Mitglieder des Veranstalterverbandes Österreich eine Ermäßigung auf die jeweils gültigen Urheberrechts-Entgelte. Der Verband zählt derzeit rund 55.000 Mitglieder in allen neun Bundesländern. Musikbetriebe wie Diskotheken, Heurige, Hotels mit Tanzmusik, Jazz-Clubs und Bars gehören ebenso dazu wie Gastgewerbe- und Handelsbetriebe mit Hintergrundmusik. Aber auch Ball- und Live-Konzertveranstalter werden gegenüber den Urhebern vertreten. Wird auch nicht abgeneigt sein, den status quo zu erhalten. |
Das sind, wenn man durchzählt, 28 eingeladene Insitutionen plus dem BMJ, also 29 Teilnehmer. Davon werden, wenn man freundlich rechnet, 3 (in Worte: drei) im Sinne der Bürger und Konsumenten agieren. Wie da die Ratio der Wortmeldungen aussehen was davon beim BMJ hängen bleiben wird, kann man sich vorstellen.
Als das Arbeitspapier des BMJ bekannt wurde, hat der Verein für Interent-Benutzer Österreichs (vibe.at) in Zusammenarbeit mit dem AKVorrat Kontakt mit dem BMJ aufgenommen, um ebenfalls an diesem Termin teilnehmen und die Interessen der NutzerInnen vertreten zu können. Dieses Angebot zum konstruktiven Dialog wurde seitens des Justizministeriums abgelehnt.
Grund für diese Absage war: … wegen der ohnedies zu erwartenden hohen Anzahl von Teilnehmern den Teilnehmerkreis für die Besprechung am 11.12. nicht weiter ausbauen…
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Und das bringt mich zu dem Punkt, den ich schon oben angedeutet hatte. Hätten KunsthatRecht, WKÖ und Co. nicht ihre Doppelnennungen, udgl. hätte die Verteilung mit einer Teilnahme von vibe.at und AKVorrat anders ausgesehen (und die Anzahl der Teilnehmer wäre überschaubarer):
Verwertungsindustrie | NutzerInnen |
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Regierung | Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte |
Österreichischer Rechtsanwaltskammertag | Österreichischer Verband der Internet Service Provider |
Österreichische Notariatskammer | vibe.at |
VÖZ - Verband Österreichischer Zeitungen | Google Switzerland GmbH (zu Handen Herrn Daniel Schönberger) |
Verein für Anti-Piraterie der Film- und Videobranche (VAP) | AkVorrat |
Gewerkschaft der Gemeindebediensteten - Kunst, Medien, Sport, freie Berufe | |
Kunst hat Recht | |
Veranstalterverband |
Das würde doch gleich etwas ausgewogener aussehen …
Der ganze Text ist selbstverständlich satierisch überzeichnet formuliert. Ich bin mir sicher, dass alle Teilnehmer nach besten Wissen und Gewissen die Anliegen der von Ihnen vertretenen Mitglieder vertreten und dass ein gesetzeskonformes, bürgernahes Ergebnis zum Wohle des Volkes gefunden wird.
Tagged as: | Author: Martin Leyrer
[Donnerstag, 20121206, 00:35 | permanent link | 3 Kommentar(e)
Dass die VDFS im Impressum von Kunst hat Recht fehlt, ist kein Versehen, sondern Absicht: die sind bereits im Vorfeld der Initiative ausgestiegen (Quelle für diese Info z.B. dieser Artikel hier: <a href="http://kulturrat.at/agenda/brennpunkte/20120216">Kunst hat Recht? KünstlerInnen haben Rechte!</a>)
lieber martin leyrer, vielen dank für deine mühe, das alles aufzuarbeiten. was mir in deiner aufstellung fehlt, ist die seite der urheber_innen. also die interessenvertretungen aus den bereichen von kunst und kultur/kreativwirtschaft, die in transparenten verfahren ihre vertreter_innen wählen und - bis auf die GdG/KMfB am 11.12. nicht vertreten sind; nur die lobbyorganisation "kunst hat recht", die keine derartige legitimation besitzt.
liebe grüße
elisabeth mayerhofer
hab ich was verpasst? gibt's google austria nicht mehr?
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