Breitband in Wien -- Ein Trauerspiel

Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner (SPÖ) wird auf orf.at zitiert:

Bis 2020 soll Wien flächendeckend ultraschnell - also mit einer Geschwindigkeit von 100 Mbit pro Sekunde - surfen können: Denn bis dahin will die Stadt alle Haushalte mit Hochleistungs-Breitbandzugängen ausstatten.
 
Das erklärte Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner (SPÖ) am Montag vor Journalisten. Finanzieren sollen das EU-Förderungen sowie die Breitbandmilliarde des Bundes. Derzeit werde der Ist-Stand der Breitbandabdeckung erhoben, man könne aber von einer „soliden Basis“ ausgehen, meinte Brauner.
 
Denn schon jetzt hätten 96 Prozent der Haushalte die Möglichkeit mit 16 bis 25 Mbit/s zu surfen. Auf Basis der erhobenen Netzdaten wird eine Breitbandstrategie entwickelt, schon 2018 sollen die Ballungsgebiete und damit rund 70 Prozent aller Haushalte einen Hochleistungs-Breitbandzugang erhalten. 2020 soll die Versorgung dann flächendeckend sein.

Man weiß ja gar nicht, wo man bei so viel Fail anfangen soll.

Ultraschnell mit 100 Mbit pro Sekunde – das ist heutzutage weder „Hochleistungs-Internet” noch „schnell”, ganz zu schweigen von „ultraschnell”. 100 Mbit/s gibts in Singapur seit 2006. „Ultraschnell” ist in Singapur derzeit 1 Gigabit/Sekunde über Glasfaser.

„Ultraschnell” sind die 100 Mbit/s allerdings, wenn man sie mit der Definition des Bundeskanzleramtes:

Der Begriff Breitband definiert in der Regel einen permanenten Internetanschluss mit zeitunabhängigem, laufendem Grundentgelt, wobei wesentlich höhere Übertragungsgeschwindigkeiten erzielt werden als mit Einwahlverbindungen (Dial-up Modem).

oder der RTR (Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, RTR Telekom Monitor 4/2014, PDF) vergleicht:

Von einem breitbandigen Internetzugang bzw. einem Breitbandinternetanschluss ist dann zu sprechen, wenn der Internetanschluss (technologieneutral) über eine Downloadrate von > 144 kbit/s verfügt.

Unter mobilem Breitband werden reine Datentarife und Datenprodukte ohne fixes monatliches Entgelt verstanden. Daneben gibt es noch Smartphonetarife. Reine Datentarife (ohne Sprache/SMS) sind solche, bei denen mind. 250 Megabyte im monatlichen Entgelt inkludiert sind.

„Smartphonetarife“ sind alle Bündelverträge mit Sprache/SMS, bei denen mindestens 250 Megabyte im monatlichen Entgelt inkludiert sind und bei denen von Kundenseite mindestens einmal im betreffenden Quartal ein Internetzugriff erfolgt

 

„surfen” – Ich hab ja nur noch auf die „Informationsautobahn” gewartet. Aber auch hier liegt in dem unscheinbaren Wörtchen einiges an schwerwiegenden Themen verborgen.
Das impliziert zum Einen asymmetrische Verbindungen. Also weniger Upload als Download. Wir sollen ja brav konsumieren und nicht vielleicht eigene Inhalte online stellen. Sehr 1990er.
Zum Anderen impliziert das Wörtchen auch die Verwendung von IPv4 mit Provider-NAT anstelle von verpflichtend flächendeckendem Einsatz von IPv6. Wo kämen wir denn auch hin, wenn jeder zu Hause eine Tor-Bridge oder andere nützliche Services betreiben könnte.

Und wieso muss im Jahre 2014 der Ist-Stand der Bandbreitenabdeckung erhoben werden? Muss Fr. Brauner das für das Wasser- oder Stromnetz auch machen? Infrastrukturzahlen sollten einer Wirtschaftsstadträtin doch aktuell zur Verfügung stehen – egal ob Straßen, Verkehrsmittel oder eben Bandbreite.

Dass die aus Steuergeldern aufgestellten EU-Fördermittel und die aus Steuergeldern finanzierte „Breitbandmilliarde” dann wieder zu einem Großteil an die Post/Datakom/Jet2Web/Mobilcom/A1/Telekom geht, um das Kupfernetz, dass von 1950 bis 2000 mit Steuermitteln aufgebaut wurde, zu modernisieren, steht auf einem andern Blatt und darüber will ich mich jetzt auch hier nicht aufregen.

Dass der Begriff „flächendeckend” ein schwammiger ist und Gebiete wie Hietzing, Döbling oder den Wilhelminenberg selten bis gar nicht einschließt, wissen wir seit der Einführung von EDGE in den 90ern.
Der „Kunstgriff”, das „Flächendeckend” dann doch auf 100% der Fläche zu bringen, ist dann immer der Mobilfunk. Überraschenderweise weißt da sogar der Hofberichtstatter ORF auf dessen Problematik hin: : Wie schnell ein Nutzer im Mobilfunk surfen kann hängt sehr stark von der Anzahl der sich im Netz befindlichen Personen ab

 

Zeitgemäßes, ultraschnelles Internet sieht anders aus.

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[Dienstag, 20150127, 20:02 | permanent link | 0 Kommentar(e)

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