Politik-Wortblasen und der „seriöse” Journalismus
Bereits am Mittwochabend sagte Peter Gridling, Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, im ORF-Fernsehen, dass auch Österreich nach dem Paris-Anschlag Sicherheitsvorkehrungen getroffen habe. Auch hierzulande gebe es eine „abstrakt höhere Gefahr”. Man könne diese jedoch „nicht konkret festmachen”.
Ö1 Mittagsjournal vom 08.01.2015:
Eine „abstrakt höhere Gefährdung” liege vor, diese sei aber nicht konkretisierbar, bekräftigte Mikl-Leitner die Aussagen des Direktors des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Peter Gridling von gestern Abend.
Diese Zitate machten in den letzten Tagen die Runde durch die österreichischen Qualitätsmedien (inkl. ORF). Natürlich unkommentiert.
Weil der „seriöse Journalismus” (O-Ton Christian Rainer, Chefredakteur und Herausgeber des so genannten „Nachrichtenmagazins” profil) sieht es offenbar nicht als seine Aufgabe, diese Wortblasen, welche die „PolitikerInnen” von sich geben, platzen zu lassen.
Dazu muss man sich – zumindest in Österreich – an den „digitalen Mob” (ebenfalls O-Ton Rainer) wenden, dort machen das Personen wie der wunderbare Martin Haase:
All diese Wortakrobaten nämlich versuchen das Unmögliche: die Bürger zu warnen und gleichzeitig zu beruhigen. Denn sie sollen sich gerne ein bisschen gruseln, um neue Überwachungsgesetze toll zu finden, aber sie sollen nicht gleich abhauen. Wer will schon Wähler verschrecken. Da das nicht beides gleichzeitig geht, und sie (die Kraftmeier, nicht die Bürger) die Klappe nicht halten wollen, kommt obiger Wahnwitz heraus.
oder Kai Biermann im Neusprech Blog:
Wir wissen nur, dass in der politischen Sprache mit der Gefahr viel Schindluder getrieben wird. Da wird beispielsweise unterschieden zwischen einer „konkreten Gefahr”, bei der die Sicherheitskräfte wissen, was auf sie zukommt, und einer „abstrakten Gefahr”, bei der eigentlich keiner weiß, was passieren wird, ja, ob überhaupt eine Gefahr besteht oder nur ein Gefahrenpotenzial. …
Im Umkehrschluss gilt daher, dass man ruhig schlafen kann, solange Politiker den Ausdruck Gefahr mit irgendwelchen Zusätzen vermauscheln, da dann ganz bestimmt keine droht. Sie wollen nur sagen, dass alles in Ordnung ist, dabei aber verhindern, dass sich alle gleich entspannen. Denn so ganz ohne warnenden Unterton macht die Innere Sicherheit einfach keinen Spaß. Behaupten Politiker jedoch, dass keine Gefahr bestehe, zum Beispiel bei Atomkraft, sind sofortige Sorgen angebracht.
Aber es ist halt leichter, APA-Meldungen und Politiker-Aussagen ohne Hinterfragen oder in einen Zusammenhang zu stellen einfach zu publizieren. Macht der „freien” Presse ja auch weniger Scherereien mit den Politikern, die über ihre Presseförderung, etc. entscheiden.
Da halte ich mich lieber an den digitalen Mob, da hat man mittelfristig mehr davon.
Tagged as: journalismus, politik, rant | Author: Martin Leyrer
[Sonntag, 20150111, 16:37 | permanent link | 0 Kommentar(e)
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