Was wurde eigentlich aus … „Aktionsplan Digitalisierung 2022”

Kurz, Kogler, Schramböck, Blümel zum „Aktionsplan Digitalisierung 2022” im Oktober 2020 (lokale Kopie):

Investitionen in eine bürgernahe, serviceorientierte Verwaltung mit zeitgemäßer digitaler Infrastruktur sind Investitionen in die Zukunft. […] Mit dem Aktionsplan Digitalisierung 2022 wird diesen Grundsätzen umfassend Rechnung getragen, indem die Bundesregierung für weitere Digitalisierungsmaßnahmen in den Jahren 2021 und 2022 zusätzliche 160 Millionen Euro zur Verfügung stellt.

Also jeweils bis zu 80 Mio. € für die Jahre 2021 und 2022 für Digitalisierungsmaßnahmen in der Bundesverwaltung, wie eins in der Parlamentskorrespondenz Nr. 230 vom 04.03.2021 nachlesen kann. Aber 160 Mio. klingt halt besser als 80 Mio. pro Jahr.

Geführt hat das zum Digitalisierungsfondsgesetz-Digi-FondsG (248/BNR) mit folgenden Zielen:

  1. Die finanziellen Mittel des Fonds dienen der befristeten Anschubfinanzierung von Projekten und müssen verwendet werden für ressortübergreifende:
    1. Projekte zur Umsetzung der IT‑Konsolidierung im Bund;
    2. Projekte zum Ausbau der Services für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen;
    3. Projekte zur Beschleunigung und Effizienzsteigerung von Verfahrensabläufen.
  2. Mindestens die Hälfte der Fondsmittel ist für Zwecke des Abs. 1 Z 1 zu verwenden.

Klingt ja alles nicht so schlecht. BürgerInnenservices, Effizienzsteigerung, …

2022 ist ja nun doch schon vorbei, also können wir doch mal schauen, wie die 160 Mio. Euro Steuergelder angelegt wurden. Dazu müssen wir nur den „Spending Review im Rahmen des Aufbau- und Resilienzplans (RRF), Modul 6 ‘Weiterentwicklung der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung’” finden (lokale Kopie). Und nicht vergessen, 50% der Mittel (also 80 Mio. Euro ) müssen für „Projekte zur Umsetzung der IT‑Konsolidierung im Bund” verwendet werden.

Erstes schönes Finding:

Im Zuge der Projektqualifizierung und –umsetzung erwies sich die Fondskonstruktion als bürokratisch relativ aufwendig […] In den zahlreichen Abstimmungsgesprächen mit den Kolleginnen und Kollegen der Sektion II (BMF) stellte sich heraus, dass die bekannten Instrumente des Budgets zur Zielerreichung zweckmäßig(er) erschienen wären.

Ich darf übersetzen: „Anstelle der PR-Maßnahme ‘Aktionsplan Digitalisierung’ von Kurz, Blümel und Schramböck hätten die Ministerien lieber mehr reguläres IT-Budget bekommen”.

Und weiter (eins muss dieses „Abwatschen in Beamtensprech” einfach lieben):

Nach Analyse der gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie des operativen Ablaufs wird daher seitens des Spending Review Projektteams empfohlen, bei zukünftigen Entscheidungsprozessen von IT-Konsolidierungsprojekten eine zentrale Bundesstelle mit der Beauftragung und Umsetzung dieser Projekte zu beauftragen. Wesentlich ist dabei, diese Bundesstelle mit entsprechenden Kompetenzen auszustatten und vorab zu klären, welche IT-Inhalte bzw. Angelegenheiten für eine Konsolidierung geeignet sind.

Wichtig war aber bei der Aufteilung der Fondsmittel, dass nicht zu viel Geld in den Ausbau der Services für Bürgerinnen und Bürger fließt, wie das BMF auch mit dieser Grafik visualisierte:

Aufteilung der Fondsmittel: max. 50% Ausbau der Services für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen sowie zur Effizienzsteigerung von Verfahrensabläufen

Von den 315 eingereichten Projekten wurden 168 Projekte mit einem Volumen von 143,0 Mio. € vom Digitalisierungsfonds als finanzierungsfähig qualifiziert. Davon wurden 155 Projekte bis zum 31.12.2022 mit einem Gesamtbetrag von 118,9 Mio. € beauftragt.

Eines der vier „Leuchtturmprojekte” war das Programm „IT-Konsolidierung im Auftrag der Konferenz der Generalsekretäre”, welche sich die „Standardisierung der Commodity-IT” als Ziel gesetzt hatte. Dazu gehörte die Schaffung eines einheitlichen Standardarbeitsplatzes, der in sichere Basisdienste eingebettet ist und durch einen Dienstleister für alle Ressorts zur Verfügung gestellt wird. Und durch einheitliches Lizenzmanagement soll die Erhebung, Verwaltung und in der Folge die Beschaffung von Lizenzen in den Ressorts vereinheitlicht werden. Dazu sollen für weit verbreitete Produkte auch Bundeslizenzen beschafft werden.

Ergebnis: Für die Commodity-IT wurde der Leistungsumfang und die Anforderungen an die Services „Standardarbeitsplatz und sichere Basisdienste” (STAB, vulgo „Bundesclient”, wer sich noch erinnert) und Single Point of Contact (SPOC, IT-Helpdesk) in Form von Lastenheften dokumentiert und mit der BRZ sowie Stakeholdern aus den Bundesministerien abgestimmt. Für STAB wurde weiters ein High Level Architekturdesign und das Grobkonzept erstellt.

Microsoft, SAP und Citrix freuten sich allerdins zu früh, weil unsere Steuergelder haben ermittelt:

Die LAUS-Mitglieder [„Lenkungsausschuss”, Anm.] stimmten überein, dass das geplante Vorhaben (STAB und SPOC) bei Abwicklung im Rahmen eines umfassenden Umsetzungs- und Rolloutvorhabens in Form eines monolithischen Großprojekts als nicht erfolgversprechend eingeschätzt werden kann.

Aber wenn schon Budget da ist, muss das auch verwendet werden:

… das Zielbild eines konsolidierten Arbeitsplatzes für die Bundesministerien jedoch grundsätzlich bestehen bleibt. Dieser soll allerdings nicht im Rahmen eines monolithischen Projekts, sondern vielmehr in vielen kleinen Schritten durch das Bundesrechenzentrum unter entsprechender Beteiligung der Bundesministerien umgesetzt werden. Dazu wurden entsprechende granulare Analyse- und Konzeptionsprojekte zu den Themenkreisen „Standard-Services“, „Rechenzentrumsservices“ sowie „Security Framework Bund“ unter Verwendung von Mitteln aus dem Digitalisierungfonds gestartet.

Und auch das Lizenzmanagement war ein voller Erfolg! Es ist ein Lastenheft erstellt worden!

Im Projekt SAMBA wurde in Zusammenarbeit mit den beteiligten Ressorts ein umfassendes Lastenheft erstellt. Dazu wurde unter anderem auch eine Lizenzbilanz in den Ressorts erhoben und die Anforderungen an das zukünftige einheitliche Lizenzmanagement definiert.

Aber hey, es wurden auch andere Projekte im Rahmen des „Aktionsplan Digitalisierung 2022” „erfolgreich” abgeschlossen:

  • Zielbild zur IT-Konsolidierung
  • IT-Service-Katalog
  • Definition eines Regelwerks, das die Aufgaben und Verantwortlichkeiten betreffend die Shared Services definiert

Da bin ich als Bürger natürlich voll mit an Bord, weil ich mein, da sieht man doch sofort, welche Benefits das bringt. Und das sind Ergebnisse, die in den 81,3 Mio. Euro des Budgets für die Umsetzung der IKT-Konsolidierung des Bundes drinnen waren. Ich mein, das ist doch was, oder?

Abgefeiert wird auch das „Once Only” Projekt, dessen Jahresbudget 2021 über den Aktionsplan finanziert wurde. Nachdem dies auch die Umsetzung von Artikel 14 der Single Digital Gateway (SDG) Verordnung der EU beinhaltet, hätte das sowieso passieren müssen. Praktisch, sowas.

Aber genug der internen Themen. Was konnte der „Aktionsplan Digitalisierung 2022” denn für die BürgerInnen und Bürger tun? Nun, zum Beispiel hat sich auch die ID Austria, ach nein „Ausweisapp”, ach nein, ich mein die „Digitales Amt” App Geld aus dem Aktionsplan geholt:

Die Webanwendung OE.GV.AT und die zugehörige mobile Lösung, die App „Digitales Amt“, sind die zentrale Serviceplattform für Bürgerinnen und Bürger in ÖsterreichGegenstand des vom Digitalisierungsfonds finanzierten Programms ist die Umsetzung der geplanten Inhalte lt. Roadmap für die (Teil-) Projekte des Programms OE.GV.AT, die direkt die Komponenten von Web, App und Middleware von OE.GV.AT betreffen [ein Auszug, Anm.]:

  • Entwicklung und Integration der ID Austria und des Meine-ID-Austria Dashboards in „OE.GV.AT ” und die Digitale Amt-App (erledigt)
  • Implementierung eines vereinfachten Umstiegs von der Handy-Signatur auf die ID Austria in der App (erledigt)
  • Durchführung von Usability Verbesserungen, Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)-Umsetzung in der Digitalen Amt-App und Designanpassungen (WCAG großteils erledigt)
  • Verbesserte Integration von MeinPostkorb inkl. Push-Benachrichtigung (in Umsetzung)

Unterhaltsam, oder? Der Umstieg von Handy-Signatur auf die ID Austria/Digitales Amt/eAusweis App hat ja vorne und hinten nicht funktioniert. Wobei, wir haben das ja alle nicht verstanden. Weil eigentlich war mit „vereinfachter Umstieg” ja laut dem „Spending Review” folgendes gemeint: Der Umstieg von der Handy-Signatur auf die ID Austria soll mit möglichst geringen Umstellungen für Service-Provider einhergehen. Für die Service-Provider, nicht für die Bürgerinnen und Bürger. Ihr Dummerchen, ihr!

Dass die „Usability” unter jeder Sau ist, musste auch schon „Ich will Bürgermeister anstelle des Bürgermeisters werden” Ex-Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky vor laufender Kamera erfahren. Und die angeführte „Integration von MeinPostkorb” ist immer noch ein Lehrbeispiel für dark patterns in der Anwendungsentwicklung.

Aber hey, für „nur” 143 Mio. Euro in zwei Jahren haben wir da doch wirklich „value for the money” bekommen !!!

Und welche Empfehlungen haben sich aus dem Spending Review ergeben?

Bestehende Services wie HV-SAP und PM-SAP, an denen sich diese Lösung orientieren soll, haben sich in der Praxis bewährt.
SAP ist immer eine sichere Bank, da kann man nie falsch liegen
Projekt VIKO (Videokonferenzsystem Bund): Basierend auf der Bereitstellung des Gesamtsystems in einer ersten Ausbaustufe (maximal 25.000 Anwenderinnen und Anwender) ist der Pilotbetrieb im BKA bereits gestartet
Erinnert ihr Euch noch an die staatstragenden Bilder des Bundeskanzlers Nehammer vor der Cisco-Videoanlage?
Bundeslizenzen: Die Vertragsverhandlungen mit externen Dienstleistern werden fortgeführt.
Microsoft,Cisco, Citrix und Co. danken.
Identifikation, Bewertung und Vorbereitung der Umsetzung potenzieller Standard Services auf Basis der Erfahrungen aus den Vorhaben Grundlagenerarbeitung, IT-Servicekatalog, Markterkundung, STAB und SPOC
Microsoft Bundesclient FTW. Kein Wort zu „Digitaler Souveränität” oder einem OpenSource Bundesclient

Also nach der Lektüre dieses »Spending Review im Rahmen des Aufbau- und Resilienzplans Modul 6 „Weiterentwicklung der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung“« hab ich doch wirklich das Gefühl, dass meine Steuergelder sinnstiftend und nachhaltig eingesetzt wurden.

 

P.S.: Ja, die AutorInnen des Spending Reviews im BMF haben es nicht einmal im Titel geschafft, für den deutschen Sprachraum typographisch korrekte Anführungszeichen zu setzen:

Screenshot der Titelseite des Spending Reports mit falschen Anfúhrungszeichen

Tagged as: , , , , , | Author:
[Montag, 20250303, 23:26 | permanent link | 0 Kommentar(e)

Name: (required)
E-Mail: (required, never published)
URL: (not required, published)
Comments:
Select the checkbox, if you are a spam bot.
Markiere das Optionsfeld, wenn Du ein spam bot bist.
Use a working email address, unless you want your comment to be removed.

Disclaimer

„Leyrers Online Pamphlet“ ist die persönliche Website von mir, Martin Leyrer. Die hier veröffentlichten Beiträge spiegeln meine Ideen, Interessen, meinen Humor und fallweise auch mein Leben wider.
The postings on this site are my own and do not represent the positions, strategies or opinions of any former, current or future employer of mine.
Impressum / Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz

Search

Me, Elsewhere

Tag Cloud

2007, 2blog, 2do, 2read, a-trust, a.trust, a1, accessability, acta, advent, age, ai, amazon, ankündigung, apache, apple, at, audio, austria, backup, barcamp, basteln, bba, big brother awards, birthday, blog, blogging, book, books, browser, Browser_-_Firefox, bruce sterling, buch, bürgerkarte, cars, cartoon, ccc, cfp, christmas, cloud, coding, collection, command line, commandline, computer, computing, concert, conference, copyright, covid19, css, database, date, datenschutz, debian, delicious, demokratie, design, desktop, deutsch, deutschland, dev, developer, development, devops, digitalisierung, digitalks, dilbert, disobay, dna, dns, Doctor Who, documentation, Domino, domino, Douglas Adams, download, downloads, drm, dsk, dvd, e-card, e-government, e-mail, e-voting, E71, education, Ein_Tag_im_Leben, elga, email, encryption, essen, EU, eu, event, events, exchange, Extensions, fail, fedora, feedback, film, firefox, flash, flightexpress, food, foto, fsfe, fun, future, games, gaming, geek, geld, git, gleichberechtigung, google, graz, grüne, grüninnen, hack, hacker, handtuch, handy, hardware, HHGTTG, history, how-to, howto, hp, html, humor, IBM, ibm, ical, iCalendar, image, innovation, intel, internet, internet explorer, iot, iphone, ipod, isp, it, IT, itfails, itfailsAT, itfailsDE, java, javascript, job, jobmarket, journalismus, keyboard, knowledge, konzert, language, laptop, law, lego, lenovo, life, links, Linux, linux, linuxwochen, linuxwochenende, live, living, lol, london, lost+found, Lotus, lotus, lotus notes, Lotus Notes, LotusNotes, lotusnotes, Lotusphere, lotusphere, Lotusphere2006, lotusphere2007, lotusphere2008, Lotusphere2008, lustig, m3_bei_der_Arbeit, mac, mail, marketing, mathematik, media, medien, metalab, Microsoft, microsoft, mITtendrin, mobile, mood, motivation, movie, mp3, multimedia, music, musik, männer, nasa, nerd, netwatcher, network, netzpolitik, news, nokia, Notes, notes, Notes+Domino, office, online, OOXML, open source, openoffice, opensource, orf, orlando, os, outlook, patents, pc, pdf, performance, perl, personal, php, picture, pictures, podcast, politics, politik, pr, press, presse, privacy, privatsphäre, productivity, programming, protest, public speaking, qtalk, quintessenz, quote, quotes, radio, rant, recherche, recht, release, review, rezension, rip, rss, science, search, security, server, settings, sf, shaarli, Show-n-tell thursday, sicherheit, silverlight, smtp, SnTT, social media, software, sony, sound, space, spam, sprache, spö, ssh, ssl, standards, storage, story, stupid, summerspecial, sun, surveillance, sysadmin, talk, talks, technology, The Hitchhikers Guide to the Galaxy, theme, think, thinkpad, thunderbird, tip, tipp, tools, topgear, torrent, towel, Towel Day, TowelDay, travel, truth, tv, twitter, ubuntu, ui, uk, unix, update, usa, usb, vds, video, videoüberwachung, vienna, Vim, vim, vintage, vista, vorratsdatenspeicherung, vortrag, wahl, wcm, web, web 2.0, web2.0, Web20, web20, webdesign, werbung, wien, wiener linien, wikileaks, windows, windows 7, wired, wishlist, wissen, Wissen_ist_Macht, wlan, work, workshops, wow, writing, wtf, Wunschzettel, wunschzettel, www, xbox, xml, xp, zensur, zukunft, zune, österreich, övp, übersetzung, überwachung

AFK Readinglist