Falter vs. Pröll: Ahnungslosigkeit oder Sarkasmus?
Alexander Pröll, Sohn von Ex-ÖVP-Finanzminister Josef Pröll und Großneffe von Erwin Pröll (Ex-Landeshauptmann von Niederösterreich), ÖVP-Staatssekretär für Digitalisierung, Kampf gegen Antisemitismus, öffentlichen Dienst und Verfassung möchte in der letzten Schulwoche vor den Sommerferien, wenn die Zeugnisse ja schon geschrieben sind, einen Tag lang die Schulen für Seniorinnen und Senioren öffnen
.
Seine Idee ist, dass die Schülerinnen und Schüler so unter Aufsicht der Lehrer ihr Wissen an die Seniorinnen und Senioren weitergeben könnten. An Menschen, die in 30 Jahren ÖVP-Regierung nicht genug digitale Grundbildung vermittelt bekommen haben, um ein Handy oder gar die ID Austria zu konfigurieren. Ein Task, an dem übrigens auch Hr. Prölls Vorgänger Florian Tursky vor laufender Kamera grandios scheiterte.
Selbstverständlich lebt Hr. Pröll das konservative Weltbild, dass „Digital Migrants” (vor 1980 geboren) sich mit dem Internet, Handys und generell „modernene Technologien” nicht so gut auskennen, wie die später geborenen, so genannten „Digital Natives”. Dabei hat die Studie „The myths of the digital native and the multitasker” (PDF) bereits 2017(!) gezeigt, dass es „Digital Natives” nicht gibt:
This article presents scientific evidence showing that there is no such thing as a digital native who is information-skilled simply because (s)he has never known a world that was not digital.
Auf jeden Fall hat die Falter Redaktion Alexander Pröll, Sohn von Ex-ÖVP-Finanzminister Josef Pröll und Großneffe von Erwin Pröll (Ex-Landeshauptmann von Niederösterreich), ÖVP-Staatssekretär für Digitalisierung, Kampf gegen Antisemitismus, öffentlichen Dienst und Verfassung, den „Hero” der Woche verliehen. Und ich frage mich ja, in welchem Paralleluniversum die schreibende Person des Falters lebt, wo ältere Familienmitglieder „demutsvoll” an jüngere Familienmitglieder herantreten müssen:
Will Oma eine neue App installieren … fragt sie demütig beim Enkerl um Rat.
Das mag vielleicht in Teilen von Niederösterreich der Fall sein, in der zivilisierten Welt kommunizieren die Generationen auf Augenhöhe. Oder es ist, so wie der „Hero” anstelle des „Dolm” einfach nur Sarkasmus der Redaktion, der voll daneben gegangen ist. Könnte ja auch sein.
Ich kenn indirekt eine (noch) nicht Oma, wo eher die Enkerln demutsvoll fragen kommen würden, wie denn der Code zu verstehen sei:
Ich habe bei einem Kunden COBOL Code gefunden. Gut. Mainframe. Nichts ungewöhnliches.
Der letzte Kommentar ist von 1985.
Von meiner Mutter.
Bei diesem Ageism-Thema darf natürlich auch nicht mein Lieblingsbild fehlen. <sarkasmus> Zwei Boomer, die was Technologie betrifft, weder eine Ahnung vom Internet, noch vom World Wide Web haben</sarkasmus>:
Links Timothy John Berners-Lee, Erfinder des World Wide Web (WWW) geb. 1955 (70) und rechts Vint Cerf, geb. 1943 (82), der „Vater des Internets”. Bilder mit freundlicher Genehmigung des W3C.
Aber Seniorinnen und Senioren in die Schule zu schicken, oder über ID Austria Zotter-Herzen die Installation der mittlerweile für alle BürgerInnen verpflichtend ID Austria sinnlos zu bewerben, lenkt wunderbar vom ersten Versagen im Job des ÖVP-Staatssekretär für Digitalisierung ab, die geplante KI-Behörde pünktlich, wie von der EU vorgeschrieben, mit Anfang August eingesetzt zu haben. Ein weiteres Armutszeugnis für jene Partei, die auf Zucht, Ordnung und Pünktlichkeit steht. Nehammer would not approve.
Keine Ahnung, warum Alexander Pröll, Sohn von Ex-ÖVP-Finanzminister Josef Pröll und Großneffe von Erwin Pröll (Ex-Landeshauptmann von Niederösterreich), ÖVP-Staatssekretär für Digitalisierung, Kampf gegen Antisemitismus, öffentlichen Dienst und Verfassung für diese Fehlleistung einen „Hero” und nicht den „Dolm” bekommt.
Ach ja. Und was „Die Idee des Internets” betrifft, hier ein kleiner Auszug aus A Brief History of the Internet der Internet Society:
The first recorded description of the social interactions that could be enabled through networking was a series of memos written by J.C.R. Licklider of MIT in August 1962 discussing his “Galactic Network” concept. He envisioned a globally interconnected set of computers through which everyone could quickly access data and programs from any site. In spirit, the concept was very much like the Internet of today. Licklider was the first head of the computer research program at DARPA, starting in October 1962.
Das ist weit weg von „wir mißbrauchen SchülerInnen um so zu tun, als könnten diese die Versäumnisse von 30 Jahren ÖVP Bildungspolitk ausgleichen”.
Ich würde dem Falter dafür den großen, weißen USB-Stick verleihen.
Tagged as: digitale grundbildung, medien, politik, rant, övp | Author: Martin Leyrer
[Freitag, 20250801, 15:49 | permanent link | 0 Kommentar(e)