APA/derStandard.at: Statistische Nullnummer
Der Online-Standard und die Kleine Zeitung Online (beide Medien verfügen über einige „IT-Redakteure”) geben eine Meldung der APA zum Besten:
Dreiviertel der Österreicher kennen Blogs
Weblogs sind in Österreich weit bekannt, knapp 77 Prozent können mit dem Begriff etwas anfangen. Das ergibt eine Umfrage des Online-Marktforschers meinungsraum.at zusammen mit dem Beratungsunternehmen „kier communication consulting” unter 311 Personen im April und Mai diesen Jahres. Rund ein Viertel sind, zumindest gelegentlich, aktive Blogger.
Österreich hat laut Statistik Austria (PDF) 8.340.924 Einwohner. Und von diesen über 8 Mio. wurden genau 311 „befragt”? Das sind – wenn mich calc jetzt nicht im Stich lässt – 0,004 Prozent der Gesammtbevölkerung, freundlich gerundet.
Ich kann mir – auch wenn mein statistische Wissen quasi nicht vorhanden ist – nicht vorstellen, dass man in einer ordentlichen Statistik/Umfrage repräsentativ von diesen 0,004% auf die Gesamtbevölkerung schließen darf.
Wenn man die Zahlen weiter verfolgt, müsste es außerdem 2.085.231 österreichische Blogs geben. BAM, oida!
Die Repräsentativität der „Befragung” leidet aber noch unter einem zweiten Mangel, der den Redakteuren der Medien anscheinen entgangen ist. Wenn man in der Presseaussendung (PDF) von meinungsraum.at nämlich nicht nur das „Summary” überfliegt, stößt man nämlich auf folgenden Text:
Sampling: selbstselektiv; Ansprache von Internetnutzern auf verschiedenen Plattformen, die keinen Bezug zu Blogs haben
Ich befrage über das Internet Leute zu Themen des Internets. No na ned hat dann ein Großteil schon davon gehört.
Ich versteh ja, dass ein „Full-Service-Dienstleister in der Online Markt- und Meinungsforschung” versucht, über griffige/gängige Themen in die Medien zu kommen. Was ich nicht verstehe ist, dass sich „Qualitätsmedien” nicht einmal 2 Minuten Zeit nehmen, die Meldung auf Plausibilität zu überprüfen. Sowas darf man doch nicht publizieren sondern den Machern zurückschmeissen oder zumindest sehr skeptisch darüber berichten.
Aber die 2 Minuten Nachdenken werden halt gern einer billigen aber dafür reißerischen Schlagzeile geopfert. Da ist der Satz aus der Studie Im Vergleich zu anderen Medien haben die Internet-Tagebücher bei den Kriterien „Objektivität”, „Glaubwürdigkeit” und „Vertrauenswürdigkeit” noch Aufholbedarf.
ja eigentlich nur Hohn.
Im Twitter hat Helge die Schwachsinnigkeit schön zusammengefasst:
@pirchner @HGreenwood @austrianstartup @nilasae @leyrer @Karli wir sollten je 40 follower irgendwas fragen, der standard druckt resultat..
Tagged as: medien, rant, recherche, statistik | Author: Martin Leyrer
[Donnerstag, 20080529, 17:29 | permanent link | 0 Kommentar(e)
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