Twitter und die Regel Nummer Sechs

Die Berichterstattung der letzten Wochen sowie der Einstieg von ZIB 2 Ancorman Armin Wolf haben Twitter einen gehörigen Popularitätsschub verpasst. Und wie das in einem Fall so üblich ist, bleiben dann auch die Besserwisser und selbsternannten „Profis” nicht aus und geben „gute” Ratschläge zum „richtigen” Umgang mit Twitter.

Das erinnert mich sehr an die Diskussion in der „Yellow Bubble” (der Gemeinschaft von Lotus Notes Professionals und Affectionados) zum Thema „wie nutzt man Twitter ‘richtig’”, die vor einem guten halben Jahr aufgebrandet ist. Da haben sich ein paar „Gurus” darüber aufgeregt, dass Twitter als Chat „missbraucht” wird und Twitter daher falsch verwendet wird. In diesem Fall haben alle herzlichst gelacht, ein paar Witze auf Kosten dieses „Gurus” gemacht und dann Twitter einfach weiter so verwendet, wie sie das für „richtig” angesehen haben, wurscht ob das nun „richtig” oder „falsch” war.
Ich würde mich sehr freuen, wenn auch diesmal den so genannten „Fachleuten” die lange Nase gezeigt wird und die alten und neuen Twitter-User das Tool so benutzten, wie sie das wollen. PC-Software und in letzter Zeit auch die Web 2.0 Lösungen haben sich IMHO immer dadurch ausgezeichnet, dass sie durch innovative Leute auch so verwendet werden, wie sich das die Erfinder nie gedacht hätten – das war auch schon bei Twitter so.

Oft „gerügt” wird auch die Banalität der veröffentlichen „Tweets” bemängelt, welche die Plattform zu einer zu einer digitalen Müllhalde machen und die über zu wenig „Gehalt” verfügen.
„Was bildet sich dieser präpotente, selbstverliebte Parvenü ein, dass er irgendjemandem vorschreiben will, was er/sie zu posten hat oder nicht?”, ist meistens meine erste Reaktion auf derartige Postings, die sich in letzter Zeit zu Hauf in zahlreichen Blogpostings, aber auch auch in diversen Artikeln von „Qualitätsmedien” wiederfinden.
Ich kann Felix Schwenzel (ix auf wirres.net) nur zustimmen, der sich des Themas anhand eines Kommentars bei Stefan Niggemeier näherte, wenn er schreibt:

das gegenteil von der welt etwas mitzuteilen ist schweigen. wäre die welt besser, wenn alle schwiegen? sollte der mitteilungsdrang reguliert werden, so dass sich nur noch zertifizierte meinungs-, befindlichkeits- und denk-experten mitteilen dürfen? oder anonyme supatopchecker in niggemeiers kommentaren?
 
naja. ich rege mich manchmal auch über den quark auf, der am nebentisch geredet wird. oder über die blödsinnigen kommentare bei stefan-niggemeier.de. oder über den hirnlosen mist, den turi2 schreibt. nur stelle ich deshalb nicht die gesprochene sprache in frage, oder verurteile andere, die zufällig auch die gesprochene sprache, blogs, twitter oder das fernsehen benutzen um sich, ihre meinung oder ihr wissen mitzuteilen.
 
was genau ist daran so schwer zu verstehen, dass nicht twitter der grund für den blödsinn ist der auf twitter zuweilen steht, sondern dass blödioten der grund sind für den blödsinn der auf twitter steht?

Liebe Leute, falls Ihr das hier lest und eigentlich gerne twittert Рtwittert weiter, twittert so, wie Ihr wollt und was Ihr wollt. Ihr seid nur Euch selbst Rechenschaft schuldig, sonst niemandem. Wenn sich jemanden daran sțrt, was ihr von Euch gebt, kann er Euch entfollowen und die Sache hat sich. Und zeigt den selbsternannten Profis, die sich nicht an Regel sechs halten, den virtuellen Stinkefinger.

Ein weiteres Problem, das sich durch die steigende Anzahl von Twitterern ergibt, ist die Anzahl der Personen, deren Tweets man folgt. Bei „zu wenigen” könnte man etwas versäumen”, bei „zu vielen” bekommt man nicht mehr alles mit.
Während es für die selbsternannten „Fachleuten” nur eine offensichtliche Lösung gibt: Meinungsbildner folgen nur Meinungsbildnern – man folgt nur den Tweets einiger „Auserwählter”, hat sich Jana dem Thema mit ihrem Blogposting „Followfriday ist Umweltverschmutzung #Rant” wesentlich differenzierter genähert. Sogar Georg Holzer, sonst ein Freund der als Charts oder Rankings getarnten DSWs, setzt sich mit dem Thema in seinem Blogposting „Zur Relevanz bei Twitter” auseinander, obwohl hier das Wort „Relevanz” für mich noch immer zu sehr nach „man kann das objektiv beurteilen” riecht.
Meiner nicht so bescheidenen Meinung nach kann man die „richtige” Anzahl von Personen und die Frage welchen Personen man folgt, nicht allgemein festschreiben. Das ist von so vielen subjektiven Parametern abhängig. Guy Kawasaki wird von vielen als jemand angegeben, dem man folgen sollte. Für mich macht er nur für seinen unnötigen Dienst Alltop Werbung, also folge ich ihm nicht. Detto schau ich mir an, was jemand tweetet. Sind das nur Links auf seinen Blog, dann folge ich ihm nicht, dafür habe ich RSS. Aber ich würde mir nie anmaßen, so wie einige andere Personen, jemandem vorzuschreiben, wem oder wie viel Personen man folgen sollte.

Je sozialer ein Dienst ist oder wird, um so persönlicher und subjektiver werden meiner Meinung nach auch der Umgang damit. Und desto weniger gut können althergebrachte PR-Profis, SEOs, Tourismusexperten oder Versicherungen damit umgehen und es als Werbeplattform missbrauchen, wie man an Twitter recht schön sieht. Und um so lächerlicher werden dadurch auch die „Empfehlungen” so mancher Experten. Und das ist gut so.

 

Und falls sich jetzt wer fragen sollte, was es mit dieser ominösen „Regel Nummer Sechs” oder „Rule Number Six” auf sich hat, hier die Erklärung aus The Power of Intention: Learning to Co-Create Your World Your Way von Wayne Dyer:

Two prime ministers are sitting in a room discussing affairs of state. Suddenly a man bursts in, apoplectic with fury, shouting and stamping and banging his fist on the desk.
 
The resident prime minister admonishes him: „Peter,” he says, „kindly remember Rule Number 6,” whereupon Peter is instantly restored to complete calm, apologizes, and withdraws.
 
The politicians return to their conversation, only to be interrupted yet again twenty minutes later by a hysterical woman gesticulating wildly, her hair flying. Again the intruder is greeted with the words: „Marie, please remember Rule Number 6.” Complete calm descends once more, and she too withdraws with a bow and an apology.
 
When the scene is repeated for a third time, the visiting prime minister addresses his colleague: „My dear friend, I’ve seen many things in my life, but never anything as remarkable as this. Would you be willing to share with me the secret of Rule Number 6?”
 
„Very simple,” replies the resident prime minister. „Rule Number 6 is ‘Don’t take yourself so damn seriously.’”
 
„Ah,” says his visitor, „that is a fine rule.” After a moment of pondering, he inquires, „And what, may I ask, are the other rules?”
 
„There aren’t any.”

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[Sonntag, 20090405, 16:34 | permanent link | 3 Kommentar(e)

Oui, oui, jeder nach seiner Fasson. Ich finde, dass Twitter unter dieser Perspektive ein andauerndes soziales Experiment ist, von dem ich mir auf die Dauer Besserung hoffe (auch für meine eigene Sicht auf die Welt und das Lernen des Erlangens meiner eigenen Ausgeglichenheit :)

- Die Meinung anderer nicht so wichtig nehmen, dass man sich darüber aufregen muss
- Sich selbst nicht so wichtig nehmen und auf Rankings, ob IT-gestützter oder sozial immanenter Art, scheißen lernen
- den Unfollow-Button ehren
- nicht grantig werden, wenn man unfollowed wird

'entfollowen' ist ein Wort, dass mich aus deiner Feder sehr überrascht :-O

Regel No. 6 - sehr feiner Gedankenanstoß.

Alles Liebe,
tom

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