Österreichs Grüne für AutofahrerInnen-Überwachung?
Prinzipiell kann frau ja nichts gegen die Netzpolitik der österreichischen Grüninnen sagen. Marco Schreuder formuliert klar und deutlich „Die Grünen sind gegen Internet-Sperren!” und auch Albert Steinhauser gibt SPÖVP bei netzpolitischen Themen ordentlich Beton. Und über den Internetsperren-Ausrutscher der oberösterreichischen Grünen sprechen wir ja nicht mehr.
Also habe ich mir das „Wahlprogramm lang 2013” (PDF 772.2 KB) der Grüninnen mal angesehen. Und bin auf auf Seite 22 im Kapitel „Österreich erneuern: Die Verkehrswende / Intelligent lenken” auf folgenden Satz gestoßen:
Mittelfristig ist die Vignette durch ein differenzierteres PKW-Mautsystem im Rahmen einer ökologisch-sozialen Steuerreform zu ersetzen.Meine Assoziationen zu dem Begriff „differenzierteres PKW-Mautsystem”:
- Einführung eines Systems analog des deutschen Toll Collect Systems. Also Einbau einer On-Board-Unit (OBU), die mit Hilfe von GPS die für eine gefahrene Strecke zu entrichtende Maut ermittelt. Perfekt, wenn frau auch gleich speichern will, wer wann wo gefahren ist.
- Zuordnung eines oder mehrerer Handys zu einem Auto und Verwendung der VDS Daten zur Berechnung der Maut
- Adaptierung des ab 2015 in der EU vorgeschriebenen eCall Systems, sodass es nicht als „passives System” ausgeführt ist. Dann könnte frau wieder wie oben beschrieben die VDS Daten zur Mautberechnung heranziehen.
- Abwicklung der Mautabrechnung über die Systeme der Versicherungen, welche „fahrtleistungsabhängige” Abrechnung ermöglichen, wie zum Beispiel die „UNIQA SafeLine”. Damit hätte dann nicht nur der Staat, sondern auch die Versicherungen etwas von der Überwachung.
Mir fallen ehrlich gesagt keine anderen Systeme ein, die eine „gerechte” PKW-Maut ermöglichen würden. Habt ihr noch andere/bessere/schlimmere Lösungsansätze für mich? Wenn ja, dann ab in die Kommentare damit.
Ev. hätte die Arbeitsgruppe „Verkehr” vor der Veröffentlichung mit der Arbeitsgruppe „Netzpolitik” sprechen sollen, weil ich kann das „differentierte PKW-Mautsystem” nicht mit „Stopp der Vorratsdatenspeicherung” oder „Überwachungsstaat zurückdrängen” in Einklang bringen. Oder wurde der Punkt unreflektiert von den Bundesdeutschen Grüninnen übernommen?
Und um den „aber so war es doch gar nicht gemeint” Kommentaren einen Riegel vorzuschieben: Es handelt sich hier um ein Wahlprogramm einer politischen Partei. Wenn etwas „anders gemein” ist, dann muss es so drinnen stehen. Unmissverständliches Formulieren einer Position sollte etwas sein, dass Vertreterinnen einer politischen Partei können sollten.
Tagged as: grüninnen, netzpolitik, rant, überwachung | Author: Martin Leyrer
[Sonntag, 20130825, 12:15 | permanent link | 5 Kommentar(e)
Das war bestimmt so gemeint, aber eben nicht zu Ende gedacht. Es findet sich ja auch die Kulturflatrate im Programm, die ebenfalls Überwachung inklusive Deep Paket Inspection bedeuten würde. In dem Fall weigern sich die Grünen einfach, die technischen Fakten anzuerkennen.
Aber mal was anderes. Könnte man sowas nicht als anonymes Wertkartensystem aufbauen?
Du gehst jetzt aber davon aus, dass sich die Grünen wirklich für die Privatsphäre von Autofahrern interessieren. Bei Öffis will man ja keine nutzungsabhängige Abgabe, die ja auch fairer wäre als die Jahreskarte... wobei teilweise gibt's das natürlich mit den Tages/Einzelkarten, aber sowas wie die Oyster Card wäre schon was feines... auch für die VDS :-)
Hmm.
Die offensichtliche Lösung wär die oldschoolige: Ticket am Automaten ziehen, Ticket an der Ausfahrt zahlen. Wird halt keiner wollen.
Alternativ könnte man die verpflichtende , automatisierte Löschung der Daten sofort nach Zahlungseingang festschreiben (dem Benutzer könnte man sie eventuell vorher noch per Mail schicken und dann vom Zentralserver löschen).
Eine für die Autofahrer bequeme Lösung mit einer GPS-Box, müsste man irgendwie ohne Registrierungszwang zustande bringen. Also zum Beispiel mit Wertkartensystem, wie Gerald andeutete. Wie man das dann allerdings kontrollierbar gestalten könnte, fällt mir nicht ein.
In allen Fällen und ob mit oder ohne Maut muss man allerdings dann auch immer noch das Handy daheim lassen, wenn die eigenen Langstreckenwege nicht nachverfolgbar sein sollen. Insofern ist das vorerst mal eine Diskussion um des Kaisers Bart, denn de facto sind alle Wege derzeit nachvollziehbar, sofern man nur deine Handynummer hat.
Und dann sind Autos ja immer noch per Nummerntafel registriert - d.h. in dem Moment wo Radargeräte/Überwachungskameras die Nummerntafeln lesen und auswerten, wird die Diskussion noch hinfälliger.
Zahlen wir dank Steuern auf Treibstoff nicht eh schon eine kilometerabhängige Maut?
Was ist denn mit einem Maut-System wie beim Tauerntunnel oder in Italien?
Nicht, dass das günstiger wäre..
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